Donnerstag, 26. September 2013

RegioBlues

Ich habe eine Zeit lang in einer kleinen Stadt mitten in der niedersächischen Tiefebene gewohnt. Mittlerweile habe ich in die nächstgrößere Stadt (immer noch niedersächsische Tiefebene) gefunden. Ich mochte auch eine Zeit lang Blues gerne. Mag ich immer noch. Hauptsächlich schreibe ich ja aber. Und irgendwann, ich weiß nicht mehr, wann genau, dachte ich: Basteln wir das doch mal zusammen. Das Ergebnis ist ein Text, der sich schon mehrfach als unpublizierbar erwiesen hat, und ansonsten mit Bluesmotiven und niedersächsischer Depression rumspielt. 



Vom Irrsinn, den Blues zu haben und ihn nicht zu verstehen


1.

Trompetensolo! Bild von mir.
Elegant wäre, einen Essay über den Blues in Alexandrinern zu schreiben, aber die Lust auf solche Verzierungen vergeht mir immer, wenn ich mit der Regionalbahn durch die niedersächsische Tiefebene fahre: Das wäre nur eine Chromleiste, an eine rotes Auto geschweißt. Ich habe nie so ein Auto besessen, auch keiner, den ich kenne, außer vielleicht mein Vater, und den Blues spielt man darin sowieso nicht. Ein rotes Auto mit blitzenden Chromleisten: Country-Legenden sterben auf den Rücksitzen von sowas [Hank Williams. Ein 1952er Cadillac in babyblau. Er war 29, mehr oder weniger so alt wie ich]. Parallel zur Eisenbahnstrecke verläuft eine Straße, ich glaube, es ist B6, die sich da durch die Zuckerrübenfelder wurschelt: Da haben wirs wieder, B6: Selbst wenn ich ein Country-Auto hätte, ich würde damit nicht über eine Straße fahren, die B6 heißt, an deren Rand noch einmal Mais wächst, sondern nur diese schmutzig-grünen, niedrigen Pflanzen, diese Rüben, die da im Dreck der Börde stehen, und dann irgendwann stinken, wenn sie verarbeitet werden [Bei der Zuckerherstellung fallen Nebenprodukte an, die als Futtermittel oder Substrat für Fermentationen verwendet werden]. Dahinter flache Hügel, nicht bestellte EU-subventionierte Felder, irgendein Bauer hat in das höchstgelegene davon die drei Buchstaben CDU eingepflügt. Elegant wäre, einen Blues darüber zu schreiben, wie es ist, nachts in einer großen Stadt nach der letzten offenen Sushi- Bar zu suchen, weil es unbedingt Sushi sein muss. Und keine zu finden. Und irgendeine Art von gigantischer Entfremdungserfahrung zu haben, dann. Großstadtlichter überall. Aber ich kann kaum Gitarre spielen, obwohl es dafür reicht, hin und wieder mal ein Mädchen abzuschleppen, aber das werden dann auch die Lagerfeuer sein, und das Wasser, an dem diese Feuer sind, und die Tatsache, dass überhaupt einer da Gitarre spielt.