Samstag, 22. Februar 2014

#GNTM

Folgendes passierte: Ich schaute mir die erste Folge der neunten Staffel "Germany's Next Topmodel" an, und stellte fest, dass diese ganze Lockerheit, dieses ganze bunte Gehabe, was da immer so zu sehen ist tatsächlich nur ein Deckmantel ist, unter dem sich viel dunkelere und interessantere Geschichten abspielen - das gilt sowohl inhaltlich wie auch für die Erzählmuster (ich habe auch einmal eine Folge "Teeniemütter" gesehen, da war es ähnlich: Da werden geradezu Dicken'sche Erzählungen von Ausgrenzung, Armut und sozialer Not herausgeholt). Ich war begeistert von der lockeren Erzählweise und klugen, motivischen Verdichtungen. Ich war begeistert von den Verweisen auf klassische Erzählmuster und von der Virtuosität, mit der mit da große Themen nahegebracht wurden. Und dachte: Man müsste mal was drüber schreiben. 


Ich habe mich mit den exzentrischeren Versuchen beim TITEL-Kulturmagazin immer ganz wohl gefühlt. Das beruht auf Gegenseitigkeit.


Ich setzte mich einen Nachmittag lang hin, und produzierte einen Dreiteiler, der es tatsächlich relativ weit durch das Netz schaffte - es gab Verlinkungen vom BildBlog und vom Perlentaucher, beispielsweise.


Ich habe hier noch einmal alle drei Teile hintereinander geklebt, damit man es am Stück lesen kann.




Bild: Jean-Christophe Destailleur / CC BY -SA 3.0 

"Die Boobs stehen in Konkurrenz zum Kopf"- Wolfgang Joop


"Hier die kleine Nachtkritik zum Staffelstart von 'Germany’s Next Topmodel'. Morgen gibt’s dann wieder richtige Nachrichten, versprochen!«, so leitete die Hannoversche Allgemeine Zeitung den ersten Artikel zur Auftaktfolge der neuen Staffel GNTM auf Facebook ein. DerTagesspiegel gibt sich lässig und veranstaltet eine eher ratlose Live-Rezension. Die Süddeutsche ist betont kritisch. Die alte Tante Zeitbemüht sich um Ernsthaftigkeit, spricht Kritikpunkte an der Sendung an, abwägend, behäbig, aber immer mit schrägem Seitenblick.


Niemand aber – und das ist schade – kümmert sich um die Geschichte. Um die Erzählung, die da auf dem Bildschirm passiert. Die Rezensenten interessiert eher, sich über das Format lustig machen oder aus der gütigen Distanz des politischen Medienfeuilletons zu betrachten – also eher, darüber zu stehen, nicht, sich mitten hineinzustürzen in den Dreck. Wo nun aber die Geschichten nun einmal interessanter sind.



Stellen wir uns also einmal vor, nur ganz kurz, als Experiment, dass alle Menschen, die an GNTM beteiligt sind, wissen, was sie tun.



Dass diese ganzen Aufnahmeleiter, Autoren, Lichtmenschen, Kabelträger, Regisseure, Juroren, Kandidatinnen kluge Menschen sind, die zusammenarbeiten, um eine Geschichte zu erzählen. Dass die Geschichte, die sie versuchen uns als Zuschauern zu erzählen formal und inhaltlich genau die Geschichte ist, die sie erzählen wollen. Zugegeben, nach allem, was man über Produktionsprozesse weiß, an denen mehr als ein halber Mensch beteiligt ist, ist das nicht sehr wahrscheinlich. Aber nehmen wir einmal an, das Ergebnis käme dicht an etwas dran, was sich kluge Menschen gedacht haben, wie es auszusehen hat. Und wenn es jemand gebaut hat, kann man es auch auseinanderbauen, um zu sehen, was drin steckt.


Aschenputtel in rosa High-Heels


Bauen wir also auseinander: Im Prinzip besteht diese erste Folge aus zwei Teilen (das Casting und die ersten Schritte in Singapur), die sich thematisch und motivisch größtenteils decken: Körper und Konkurrenz wären die zwei großen Themen, um die alles kreist, angereichert mit kleineren Motiven wie Essen, verschiedene Körperteile (Bauch, Beine, Brüste), Gegenstände, in denen sich Anerkennung ausdrückt – im zweiten Teil sind das die bekannten Fotos, die Heidi wie üblich hat oder nicht hat. Im ersten Teil sind das rosa High Heels – zwei bedeuten, die Kandidatin ist eine Runde weiter, einer bedeutet, sie ist vielleicht weiter, keiner bedeutet Tränen.


Die High Heels übrigens sind ein wunderbares Motiv, das gleichzeitig auf Aschenputtel rekurriert, eines jungen Mädchens also, dass auch mit Hilfe ihrer Schönheit (und schöner Kleider) in ein anderes Leben flüchten wollte – Wolfgang Joop hätte Aschenputtel wahrscheinlich keinen Schuh gegeben und ihr vorgeworfen, dass sie es mit dem "Aufdonnern" übertreibt. Gleichzeitig symbolisieren die Schuhe aber auch die die ersten Schritte ins neue Leben, das die Kandidatinnen sich erhoffen – dies sind deine neuen Schuhe, darin läufst du nun, oder du bleibst auf der Strecke.


Scheiternde Heldinnen


Die vergangenen Staffeln von GNTM waren Erzählungen von Helden- bzw. natürlich Heldinnenreisen – die Heldinnen verließen ihren Alltag, um an sich selbst und den Herausforderungen in ihrem Weg zu wachsen, und um an Ende mit dem Preis zurückzukehren, wie Bilbo oder Luke Sykwalker: älter, weiser, besser, was auch immer das im Einzelfall heißen mag. Die neue Staffel bezieht – im Gegensatz zu den letzten – konsequenterweise auch in kleinen Einspielfilmchen den ersten Teil eines traditionellen Heldenquests mit ein: Den Ruf zum Helden durch einen Mentor.


Heidi entscheidet sich für die klassische Rolle einer aus einer anderen Sphäre herabgestiegenen gütigen Mutterfigur und holt eine Kandidatin aus dem – wirklich wahr – Waisenhaus ab. Thomas Hayo mimt eine weitere klassische Figur, den trickreichen Götterboten, der sich in Verkleidung unter die Menschen wagt und nur von der Auserwählten erkannt wird, und auch dann nur, wenn er es will – einmal in Cowboyverkleidung auf einem Bauernhof, einmal als Karten kloppender bayerischer Stammtischgast. Wolfgang Joop holt übrigens leider niemanden von zu Hause ab, müsste aber im weiteren Verlaufe der Staffel sich dann aber in dieser Staffel zu einem väterlichen Mentor entwickeln – so eine Art gelifteter Aquarell-Obi-Wan.


Neue, frische Erzählung


Das Spannende – und wirklich Interessante – daran, wie diese alte Geschichte der Heldinnenreise erzählt wird, ist, dass wir nicht wissen, wer die Heldin ist – das ist eine Variante der Geschichte, die es nur selten gibt. Wir folgen nicht nur der Hauptfigur. Wir sehen auch, wie diejenigen scheitern, die es nicht zur Hauptfigur schaffen.


Es könnte jede sein. Die mit der Zahnspange. Die mit den Locken. Die mit Tattoo (Namen werden erst in den späteren Folgen wichtig). Eine kehrt mit dem Preis heim. Die anderen bleiben auf der Strecke. Die drei Einspielfilmchen stehen stellvertretend für den Aufbruch jeder Einzelnen aus dem normalen Leben – und gleich im ersten Teil zerknallen die Heldinnenträume an der ersten Herausforderung. Und das ist auch das, wo die wirklich tollen Geschichten verborgen liegen: Wie jemand ein Held wird, haben wir schon tausendmal gesehen. Wie jemand keiner wird, das ist eine neue und frische Erzählung, da irgendwo im Kern der hohl anmutenden kunterbunten Glitzerbonbonwelt von GNTM. Gleichzeitig aber auch die brutalste, tragischste Erzählung der Sendung, ihr eigentlicher dunkler Kern.


Die Kandidatinnen ziehen aus, voller Hoffnung auf den großen Preis – in der ersten Folge sind es 70 von angeblich 15.000, das bedeutet schon was. 25 kommen weiter. Das heißt: 45 Träume davon, zur Heldin zu werden zersplittern schon in der ersten Hälfte der ersten Sendung. Und wie die Träume da zerschellen: Kontrapunktisch inszeniert zur hoppelig-fröhlichen Gleichgültigkeit der Juroren mitten zwischen dem bunten Licht. Das ist ein Sozialdrama, so bitter und dunkel, selbst Dickens hätte Albträume bekommen. Mit der besonderen Pointe natürlich, dass die Träume selbst schon wieder Symptom von gesellschaftlichen und historischen Umständen sind, die sie zuerst produziert haben – die Träume zerschellen an sich selbst, und zwischendrin bleibt nur der schmale Grat eines nicht zu erreichenden Bildes von Perfektion: Die Heldin muss per Definition eine sein, die einzigartig ist. Das ist doch eine wahnsinnige Geschichte: Die Träume der Kandidatinnen, aufgebrochen zu einer Heldenreise, von der sie nicht wissen, wann, wie und als was sie wieder zurückkehren – und dann zerbrechen sie gleich in der ersten Viertelstunde an ihrer selbst gemachten Unmöglichkeit, fallen irgendwo rechts oder links bzw. bei zu dick oder zu dünn oder zu »madamig« oder zu »natürlich« auf dem schmalen Grat eines nicht zu erreichenden Idealbildes einfach so runter. Irre. Böse. Brillant erzählt. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen, weil er im Gegensatz dazu wenigstens wusste, dass er die Hauptfigur der Geschichte ist.


Döner gegen Drachen


Bild: っ / CC BY-SA 3.0
Das Scheitern der Heldinnen an unmöglichen, sogar widersprüchlichen Idealen, inszeniert als zittrig-buntes Sozialdrama – das zieht sich auf hundert Arten durch die Sendung. Beispielsweise in der Figur Heidi, die ja schon Siegerin ist, die also – innerhalb der Erzählung – alles richtig gemacht hat und die Kritik von außen mit in die Erzählung ihres Richtigseins einarbeiten muss (denn in einer Heldengeschichte wäre es unerhört, wenn jemand plötzlich herausfände, dass die Mentorenfigur, die göttliche Mutter, fehlbar ist und schon immer war).



Die Kritikpunkte waren hauptsächlich, dass GNTM jungen Frauen ein ungesundes Körperbild vermittele – und siehe da, Heidi setzt zwei zu dünne Kandidatinnen auf die Straße, isst Mettbrötchen, irgendwas mit Leberwurst Bestrichenes und einen Döner. Der andere Kritikpunkt war, dass sie die Kandidatinnen vernachlässige, zu viel von ihnen fordert. Und siehe da, Heidi fängt sich irgendeine Tropenkrankheit ein, macht trotzdem weiter, und zahlt am Ende den Preis in einem singapurischen Krankenhaus. Außerdem vergibt sie – gütig, wie sie ist – Wolfgang Joop für seine Kritik an ihrer Sendung. Dies, Heldin, sei deine Moral, dein Arbeitsethos und deine Leitlinie für Wohlbefinden.
Dass Heidi zwischendrin ständig isst, ist ein eher spielerisches Motiv, eingefügt, damit die Presse drüber berichten kann. Dass Wolfgang Joop dabei ist, weil Heidi gütig ist – eher eine Randerzählung (die vielleicht noch ausgewalzt wird – das steckt noch erzählerisches Potenzial drin).


Aber diese Sache mit der tropischen Krankheit ist interessant, eigentlich zu gut, um nicht inszeniert zu sein. Zum ersten Mal sehen wir Heidi zerbrechen. Lang und breit wird darüber geredet, ob sie noch die Bilder an die Kandidatinnen verteilen kann, lang und breit auch darüber, dass sie eigentlich unzerstörbar ist. Sie verteilt die Bilder, sie ist nicht unzerstörbar. Nachdem lange, und immer wieder bei GNTM gesagt wurde, man solle alles geben, sich nicht so anstellen, sehen wir in der Vorschau zu zweiten Folge Heidi, wie sie fiebrig im Krankenhausbett liegt und – was völlig verständlich und geradezu unmenschlich menschlich ist – darum bittet, dass die Kamera abgestellt werden möge. Zum ersten Mal, wirklich zu erstem Mal, wird das körperliche Wohlbefinden bei GNTM über die Arbeit gestellt, der Mensch über die Rolle.


Das alles ist eine Erzählung, die auch auf die Kritik an der Sendung verweist, dass die Kandidatinnen in der Sendung überfordert würden. Heidis Krankheit, Joop, das Essen: Dahinter steckt dann die Erzählung einer Frau, die versucht, auf die Bremse zu treten, den Drachen, das Monster, das sich selbst reproduzierende System, das sie geschaffen hat ein wenig zu bändigen. Denn fest steht ja: Man kann, wenn man will, an GNTM eine Menge kritisieren. Nach allem, was die Presse berichtet, haben es weder die Kandidatinnen noch die Gewinnerinnen leicht, es soll eigenartige Knebelverträge geben, schlechte Behandlung. Außerdem, auch daran lässt sich nicht rütteln, beeinflusst GNTM das Körperbild von jungen Frauen. Nicht alle Frauen haben Modelmaße, viele wollen aber, warum auch immer, und ihre Körper geben das einfach nicht her. Sie scheitern genauso, wie die Kandidatinnen im Casting an unmöglichen Idealen. Nur von Zeit zu Zeit noch viel brutaler, und das ist bei weitem das Schlimmste: Allein. Ohne Kamera. Ohne Spiel.


In dieser ganzen Erzählung um Heidi steckt wieder eine böse Geschichte unter der Zuckerwatte: Die Geschichte von Goethes Zauberlehrling, der nicht wusste, wie er anhält, was er losgelassen hat. Nur in viel größerem Maßstab. Viel tragischer. Viel unwirklicher, aber trotzdem wahr.


Während Heidi mit der Bändigung des Monsters beschäftigt ist, das sie selbst erschaffen hat – das ist eine Erzählung, von der wir noch einiges hören werden in dieser Staffel – arbeiten die Kandidatinnen schnell noch ein paar Riesenthemen im Vorbeigehen ab. Über zwei Werbepausen hindurch wird noch einmal die Spannung über eine Fortführung des Themas "Idealkörper"gesteigert. Eine der Kandidatinnen hat ein Tattoo auf dem Bauch, die Jury hat das Tattoo noch nicht gesehen, sie macht sich Sorgen, dass es ihren Rauswurf bedeuten könnte; es wird für sie, in einer ganz plötzlichen Epiphanie, zum Makel an ihrem vorher durch die Jury als makellos erklärtem Körper. Wir sehen, wie die junge Frau – von einem Moment zu anderen – im wahrsten Sinne des Wortes zusammenbricht, der Möglichkeit ihres Traumes beraubt, sie kann nichts gegen den Makel tun und ist plötzlich allein mitten in Singapur. Es gibt schlechtere Anfänge für große Romane. Man kann sich das gar nicht zu klein vorstellen, ein Vergleich, der sich aufdrängt, ist dieser geradezu altgriechische Schmerz, den Kleinkinder bei der Quengelware an der Supermarktkasse manchmal zeigen ("Du willst mir die Smarties nicht kaufen? Dann zeige ich dir, wie ich leide. Und es wird ein Leid sein, das unermesslich ist"). So ein Zusammenbruch ist das. Tatsächlich ist das eine schöne metaphorische Verknüpfung, die (für die erste Folge) die Klammer um Heidis Kampf gegen den Drachen / sich selbst und dem Körperthema bildet: Stellvertretend für all die Kandidatinnen, die es nicht geschafft haben und es nicht schaffen werden, und die ganzen jungen Frauen, die draußen vor den Geräten nie eine Chance hatten, GNTM zu werden, es aber vielleicht wollen, wird gesagt: Es gibt Körper, die sind ganz einfach nicht geeignet. Du kannst nichts dagegen tun. Es ist nicht deine Schuld. Du konntest es nicht wissen. Die Erzählung wird von Thomas Hayo ins Happy End überführt: Macht nix. Kein Problem. Du bist, wie du bist.


Der Wert des Körpers


Bild: abriz44 / CC BY-SA 2.0 
Parallel – während alle Heldinnen ihre erste Schritte in den metaphorischen High-Heels tun, sich fotografieren lassen, auf dem Laufsteg laufen, Heidi sich fiebrig krankenhausreif rockt und alle, selbstverständlich, ein ausgiebiges Mittagessen versprochen kriegen schlägt der nächste Erzählstrang – wieder eine aus einer kleinen Nebensächlichkeit großartig hoch konstruierte Geschichte – in die gleiche Kerbe: Die Frage nach dem Aussehen, an dem man nichts ändern kann. Dieses Mal in der Variante "Alltagsrassismus".


Eine der jungen Frauen macht eine unbedachte, trotzdem rassistische Bemerkung gegenüber einer der drei dunkelhäutigen Kandidatinnen ("Jeder ist schon ein bisschen einzigartig. Das ist jetzt nicht rassistisch gemeint, aber ich glaube, dass es für die dunkleren Mädchen schwer wird, weil relativ viele dunklere dabei sind"). Kurz gesagt also: Die sehen doch alle gleich aus. Sie bekommt ihren Rassismus vorgehalten und will sich entschuldigen – eine Entschuldigung akzeptiert die beleidigte Kandidatin aber nicht. Wieder eine Epiphanie, aber eine, die noch viel brutaler ist: Unter der Erkenntnis, dass sie sich rassistisch geäußert hat und keine Entschuldigung möglich ist, bricht die Kandidatin zusammen. Gleichzeitig dann eben auch unter der Erkenntnis, dass sie gar nicht in der Position ist, sich zu entschuldigen: Dass ihr unbedachter Rassismus nur Symptom eines viel größeren Problems ist, des Problems, wie sie als Mensch überhaupt bis dahin gekommen ist, ihre Bemerkung als nicht rassistisch zu begreifen. Sie begreift (mehr unbewusst als bewusst, nicht ausformuliert), dass ihre Entschuldigung wäre, als würde sich ein Husten für eine weltweite Grippeepidemie entschuldigen. Dass eine Lösung des Problems nicht in ihrer Hand liegt. Sie versucht es trotzdem, was soll sie auch sonst tun, und am Ende gibt es eine Umarmung, aber: Das ist wahrscheinlich außerhalb von South Park mit der erwachsenste Umgang mit Alltagsrassismus, den es im Fernsehen so zu sehen gibt.


Schutzfilm aus Zuckermasse


Das alles sind tolle Erzählungen, tolle Motive, tolle Themen, dicht und kohärent miteinander verstrickt – GNTM weist damit weit über sich und das von vielen Kritikern attestierte hohle Format hinaus, verleitet dann aber durch die großzügig über über der Ernsthaftigkeit und Dunkelheit verteilte Zuckermasse zum vorschnellen Urteil: Das ist ja alles so schön bunt hier, das ist schon nicht so gemeint.


Gleichzeitig ist die Zuckermasse aber auch eine Art Schutzfilm, ohne den Themen wie unmöglich perfekte Körperbilder, Essstörungen und Alltagsrassismus gar nicht angefasst werden könntet – von der erzählerischen Extravaganz der Heldinnenreise ohne distinkte Heldinnen ganz zu schweigen – schon gar nicht auf einem Privatsender zur Prime Time im episch lang ausgewalzten Serienformat. Ohne die sie vielleicht auch gar nicht erzählt werden könnten, ohne dass es schwierig wird, moralisch, bieder eröternd – denn das schöne an GNTM ist, dass alles im Vorbeigehen passiert, so, als sei es nicht so gemeint, als gäbe es diesen ganzen Abgrund zwischen dem bunten Glitter und den ganzen schönen, netten Menschen nicht.


Aber gehen wir mal davon aus, dass da kluge Leute sitzen. Solche, die ihr Handwerk verstehen. Solche, die die Abgründe kennen, die dunklen Erzählungen, die in ihrem Format lauern. Dann wäre nichts ungerechter, als sicher über GNTM lustig zu machen, als eine kulturkritische Distanz zu wahren. Nur wer sich mitten hineinstürzt in den Dreck, findet heraus, ob es sich gelohnt hat.

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