Das Cover. |
Ich habe - aus vielen Gründen, aber hauptsächlich, weil ich toll finde, dass das geht - mal die letzten 10 Jahre meiner Kurzgeschichten in einem Band gesammelt und auf einer Self-Publishing-Plattform veröffentlicht. Teilweise musste ich sie abtippen, weil ich sie nur noch als gedruckte Variante in irgendeinem zerlesenen Belegexemplar hatte, teilweise musste ich Mail-Accounts durchwühlen, in die ich mich 10 Jahre lang nicht eingeloggt hatte. Aber: Es hat Spaß gemacht, und jetzt habe ich diese Datei auf meiner Festplatte (und dort draußen in der Welt), die für mich eine wirklich eigenartige Sache ist, in dieser Dichte, in dieser Zusammenstellung.
Teilweise sind die Geschichten in dem Band frühe Stolperversuche, teilweise eigenartige Experimente, und wirren Laborbedingungen gezüchtet, teilweise haben sie aber auch Preise gewonnen beziehungsweise waren für welche nominiert. Oder sind in namhaften Literaturzeitschriften erschienen. Alles in allem, finde ich, für mich persönlich, eine gute Zusammenstellung. Wers also kaufen möchte: Ich freue mich.
Es gibt in dem Band auch ein Vorwort, das ich hier einfach mal fix reinkopiere.
Vorwort:
Stolpern und Nostalgieanfälle
Am
Ende saß ich auf dem Boden, überall aufgeschlagene Belegexemplare
um mich herum, mitten in einem harten Anfall von Nostalgie. Ich trug
meinen schwarzen Bademantel, in dem ich am liebsten arbeite.
Ich
hatte ein Buch gesucht, ich weiß nicht mehr was, ich weiß nicht
mehr für was, für irgendeinen Artikel, irgendeine Referenz, die ich
gerade brauchte. Stattdessen stieß auf dieses Buch: stattflucht.
Wir
- der 2003er-Jahrgang des Studiengangs Kreatives Schreiben und
Kulturjournalismus in Hildesheim - hatten das Anfang 2004
herausgebracht, einfach, weil wir gerne mal etwas veröffentlichen
wollten, eine kleine Werkschau. Weil wir, nachdem wir nun an
einer Schreibschule studierten, ja wohl auch Autoren waren, und
Autoren ohne Bücher sind nur so halbe Autoren, klar.
Es
gab sogar eine Release-Lesung, oben, in dem kleinen, stickigen Raum
der Kulturfabrik, der ja schon zu meinem zweiten Zuhause geworden war
und es die nächsten paar Jahre auch blieb. Es kamen sogar ein paar
Leute Lesung. Nicht so viele, und ganz ehrlich gesagt heute auch
nicht mehr zu so was gehen.
Ich
fand also dieses Buch, von dem ich auch gar nicht mehr wusste, dass
ich es überhaupt noch hatte, auf der ersten Seite die Unterschriften
aller Autoren, Menschen, die mir heute noch wichtig sind,
größtenteils Freunde, und die, das ist das schönste daran, alle
irgendwie ihren Weg gehen.
Da ist sie, die stattflucht. Inklusive Unterschriften junger, sehr junger, Autoren. |
Ich
wühlte weiter im Bücherregal, zerrte diese ganzen Anthologien und
Zeitschriften heraus, die irgendwann einmal der Meinung gewesen
waren, dass es eine gute Idee wäre, einen Text von mir abzudrucken.
Ich schlug sie auf, blätterte darin herum, las, erinnerte mich,
schlug wieder die stattflucht
auf,
weil ich wissen wollte, wann das eigentlich gewesen war, mein erster
Text, der in einem Buch abgedruckt worden war. Und stellte fest: Vor
10 Jahren.
Ich
kann – und möchte auch nicht – hier jetzt die letzten 10 Jahre
aufbereiten, es gab ein Studium, es gab Veröffentlichungen, es gab
Lieben und Affären, es gab Projekte, die scheiterten und solche, die
nicht scheiterten, es gab Freunde und Freundinnen, es gab schwere
Zeiten, gute Zeiten, alles dazwischen. Insgesamt: Tolle 10 Jahre,
wenn die nächsten auch so würden, wäre ich zufrieden.
Was
es aber vor allem gab, in meiner Welt, sind Geschichten. Alles
verteilt in diesen Belegexemplaren, die, selbst während ich das hier
schreibe, immer noch auf dem Boden herumliegen, kreisrund um dieses
Loch verteilt, in dem ich saß und meinen Anfall von Nostalgie
verarbeitete. Und in dem ich vor allem dachte: Wäre es nicht nett,
diese ganzen Geschichten mal einem Ort zu haben? In einem Band?
Nicht, dass ich der Meinung wäre, dass Leute sich so wirklich dafür
interessieren würden, aber alleine, weil ich es einen schönen
Gedanken finde.
Das
Problem ist: Wenn man – ich – zu Verlagen oder Agenturen geht,
und versucht, schon veröffentlichte Erzählungen loszuwerden, also
sowas sagt wie: Hey, ich hab hier 200 Seiten coole Short Stories aus
den letzten 10 Jahren, die sind zwar alle schon in anderen Büchern,
aber kann man doch machen, oder?, dann werfen die einen raus. Oder
sagen zumindest, dass sowas sich nicht verkauft, aber man sei doch
talentiert, das seien doch alles gute Geschichten, man solle doch mal
mit etwas längerem ankommen. Zumindest bekomme ich das immer gesagt.
Nunja,
mein Längeres tourt gerade durch die langsamen Mühlen des
Literaturbetriebs – ich bin vorsichtig optimistisch. Nicht
unzufrieden. Alles wird gut.
Meine
kürzeren Geschichten sind das größere Problem. Ein paar sind in
den entsprechenden Anthologien noch erhältlich, viele nicht,
manchmal, weil es die Verlage nicht mehr gibt, weil alle Exemplare
verkauft oder verschwunden sind, aus 10 oder 20 anderen Gründen. Ich
habe – nicht nur, weil ich es anders schade fände - meine
Geschichten immer gerne irgendwo da draußen, wo Leute sie lesen
können. Am liebsten, wenn sie einfach zu bekommen sind, idealerweise
gratis, zumindest aber billig zu haben und für mich ohne großen
Aufwand zu veröffentlichen (ich habe mich dafür entscheiden, für
diesen Band ein kleines bisschen Geld zu nehmen, weil ja doch eine
Menge Arbeit drinsteckt).
Ich
möchte jetzt nicht auf die langwierige E-Book vs. P-Book Diskussion
eingehen, und auch nicht auf wie noch langwierigere Diskussion
Self-Publishing vs. Verlagsveröffentlichung. Ich veröffentliche, wo
ich kann. Wenn man noch meine notorische Ungeduld dazu nimmt und die
Zeit, die so ein P-Book braucht, dann schreit vor allem bei diesen
Texten alles nach Selbstpublikation. Es sind ja Texte, die schon da
sind, die schon durch Lekto- und Korrektoratmühlen gegangen sind.
Allerdings,
man kann das nicht anders sagen, sind manche von Texten, vor allem
die früheren, holprig. Für Geschichten wie
Orangeneis
und
Zugzielanzeiger
schäme ich mich tatsächlich ein wenig, es sind Gehversuche von
einem, der kaum krabbeln kann, ständig auf die Schnauze fällt und
weitergeht. Das sind – auch nach der Überarbeitung noch - holprige
Texte, voller Pathos, bevor ich mich noch einmal darangesetzt habe
sogar voller falscher Zeitformen.
Andere
Texte, wie Ratten
und Kakerlaken,
hatte ich seit Jahren nicht gelesen, und stellte fest, dass der Text
eine unglaubliche Power entwickelt, dass da einer unbekümmert an
seinen Text, sein Riesenthema herangeht und einfach durchbrettert,
ohne nach links und nach rechts zu kucken. Würde ich heute nicht
mehr hinkriegen, nicht so unbekümmert, nicht so naiv.
Manche
Texte mag ich heute noch, manche nicht. Manche sind Experimente, die
als Zuchtansatz in einem Laborglas vielleicht mal Sinn gemacht haben
– Sleeper,
zum Beispiel – hier draußen in der Welt dann nicht nicht so. Aber
ich mag immer die Bildwelten, diese Motive, an denen ich mich immer
noch abarbeite, die ich ununterbrochen remixe, neu gestalte,
ausformuliere: Diese ganzen Tiere, die ständig auftauchen, das
ununterbrochene Wegglitschen ins Surreale und Magische, diese
Erzählungen, die fast immer von Verlust handeln. Gerade die alten
Texte zeigen das sehr roh, sehr brutal. Mir war, bevor ich die
Geschichten zusammengestellt habe, gar nicht so klar, dass das ein
Ding ist, das ich mache, eines, das man über die Jahre, in so
konzentrierter Form, so gut beobachten kann.
Für
mich, als derjenige, der den ganzen Kram geschrieben hat, ist die
Zusammenstellung vor allem als Prozess interessant – mir war schon
klar, dass da in den letzten 10 Jahren etwas passiert ist, aber es
ist auch das erste Mal, dass ich das so gebündelt lese, so gebündelt
sehe, was da passiert ist, wie oft ich gestolpert bin, wie if ich
mich verlaufen habe, wo ich überall war.
Größtenteils
finde die Geschichten aber – auch einzeln – gelungen, und das ist
tatsächlich etwas, das mir immer schwer fiel, weil es vom Kopf auf
das (digitale) Papier doch immer ein sehr weiter Weg ist. Auf
Geschichten wie Die
Taubenjägerin
oder Unter
den Türmen hinter der Stadt bin
ich stolz, auch, wenn ich genau weiß, dass es da im Getriebe
manchmal noch hakt. Aber ich hoffe immer, dass ich der einzige bin,
der das sieht. Aber ich bin stolz darauf, dass sie bei renommierten
Literaturzeitschriften und Wettbewerben Erfolg hatten, auch, wenn das
manchmal einen etwas schalen Nachgeschmack hinterlässt, weil es mir
nach wie vor schwerfällt, mich – es gibt Ausnahmen – mit dem
anzufreunden, was sich Junge deutsche Literatur nennt, und dem ganzen
feuilletonistischen Brimborium darum, der, denke ich, weit entfernt
ist von Menschen, die tatsächlich lesen. Aber auch die Diskussion
möchte ich hier nicht führen (ich führe sie aber gerne mal abends
bei einem Bier).
Der
Punkt ist: Ich mag diese Zusammenstellung, ich freue mich, dass das
alles mal zusammenkommt. Ich freue mich noch mehr, wenn Menschen sie
lesen. Ich freue mich, dass sie da draußen ist, teilbar, kaufbar,
lesbar. Ich freue mich, dass mein Nostalgieanfall dazu geführt hat,
dass ich endlich diese ganzen Sachen noch einmal gelesen,
überarbeitet und teilweise aus lang vergriffenen Büchern abgetippt
habe. Und jetzt ist es in der Welt.
Jetzt
seid ihr, die Leser, dran.
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